Düstere Plakate der Jungen Union (JU), die den Eindruck machen, bei dem Betrachter Ängste wecken zu wollen, säumen derzeit Langenselbolds Straßen. Die CDU-Nachwuchsorganisation spielt sich dabei als Verteidigerin der 450-Euro-Grenze auf und malt ein Horrorszenario, sollte ¬ wie von der SPD gefordert ¬ die Geringfügigkeitsgrenze reduziert werden. Um was geht es? Die SPD und die Jusos Langenselbold wollen hierzu Klarheit schaffen, indem sie nüchtern die Sachlage beschreiben.
Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, sog. Mini-Jobs, bis zu einem Monatseinkommen von brutto 450 Euro (bis Ende 2012 waren es noch 400 Euro) werden mit geringeren Steuern und Sozialabgaben belastet. Das macht diese Tätigkeiten sowohl für die Arbeitgeber als auch für die Arbeitnehmer attraktiv.
Nicht bedacht wird dabei jedoch, dass mit den geringeren Sozialabgaben von versicherungsfreien geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen auch keine oder geringere Sozialleistungen verbunden sind. Wenn man die Geringfügigkeitsgrenze abschafft oder drastisch reduziert, bedeutet dies zudem noch lange nicht, dass auch die von Mini-Jobbern verrichtete Arbeit wegfällt. Das Gegenteil ist der Fall: Zeitungen müssen noch genauso ausgetragen werden. Die Kneipen brauchen immer noch eine Bedienung und im Pflegeheim müssen die alten Menschen immer noch versorgt werden, gibt Max Kaltschnee, zu bedenken. Der Unterschied ist nur, dass diejenigen, die nach Abschaffung der derzeitigen Mini-Job-Regelung nun diese Arbeit verrichten, im Gegensatz zu jetzt besser sozial abgesichert sind.
Ein Blick in die Statistik der Bundesanstalt für Arbeit zeigt, dass es in Deutschland über 7,5 Mio. geringfügige Beschäftigungsverhältnisse gibt. Entgegen dem, was von der JU suggeriert wurde, wird nur ein sehr kleiner Teil der geringfügigen Beschäftigungen von Schülern und Studenten ausgeübt: Nur 7% der Mini-Jobber sind unter 20 Jahre alt, 17% unter 25 Jahre. Auch sind die Mini-Jobs eben nicht vornehmlich Rentner-Jobs. Nur 18 % der Mini-Jobs entfallen auf Personen über 60 Jahre und 11% auf Menschen über 65 Jahre. Rund zwei Drittel der Mini-Jobs wird von Personen im typischen Erwerbstätigenalter zwischen 25 und 60 Jahren ausgeübt. Die allermeisten davon sind Frauen. Und hier muss man sich fragen, warum diese Menschen einen Mini-Job haben und keiner regulären sozial abgesicherten Beschäftigung nachgehen.
Mini-Jobs führen sicherlich dazu, dass man eher eine Tätigkeit aufnimmt, sie führen aber keinesfalls weder für die jungen Leute noch für die Älteren dazu, dass man sich in den Arbeitsmarkt integriert, in dem Sinne, dass man ausgehend vom Mini-Job in eine sozialversicherungspflichtige besser bezahlte Tätigkeit hineinwächst. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die geringfügige Beschäftigung bietet keine Brücke in den regulären Arbeitsmarkt. Das ist mittlerweile mehrfach empirisch erwiesen. Vielmehr sind Mini-Jobber in ihrem Mini-Job gefangen. So zeigt eine neue Studie des Statistischen Bundesamtes, dass z.B. 30% der Hausfrauen mit Mini-Job gerne ihre Arbeitsstunden ausweiten würden, es aber nicht können.
Dies hat negative Konsequenzen, vor allem für die Frauen, die den weitaus größten Anteil an den Mini-Jobbern ausmachen. Sie sammeln durch den Mini-Job nur sehr geringe Rentenansprüche. Haben sie 40 Jahre in einem versicherungsfreien Mini-Job gearbeitet, erwerben sie Rentenansprüche in Höhe von rund 140 Euro monatlich. Haben sie auf die Versicherungsfreiheit verzichtet, sind es nach 40 Jahren mit rund 180 Euro auch nicht viel mehr, rechnet Dr. Martin Gasche, Stadtverordneter und Mitglied des SPD Vorstandes vor. Somit verhindert die Existenz von Mini-Jobs letztlich eine auskömmliche Altersvorsorge der Frauen, schlussfolgert Gasche.
Dass die Mini-Jobs vor allem Vorteile für die Arbeitgeber bringen, zeigen die zahlreichen Fälle, bei denen die Unternehmen wegen der geringeren Steuer- und Beitragsbelastung eine reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in mehrere Mini-Jobs umgewandelt haben. Dies geschieht auf Kosten der Absicherung der Mini-Jobber, aber auch auf Kosten der Sozialkassen und des Fiskus, die nun weniger Beitragseinnahmen und Steuereinnahmen verzeichnen können. Die Folge sind Beitragserhöhungen oder Leistungskürzungen in den Sozialversicherungen und höhere Staatsverschuldung. Max Kaltschnee: Alles das hat negative Auswirkungen für die Bürgerinnen und Bürger gerade für die jungen, die das Arbeitsleben noch vor der Brust haben.
Die Statistik zeigt, dass mittlerweile über 2,5 Mio. Menschen den Mini-Job als Nebenbeschäftigung ausüben. Dies hat die unterschiedlichsten Gründe. Ein Grund ist aber auch die Tatsache, dass ein Beschäftigter durch den Mini-Job mehr Geld netto auf den Konto hat, als wenn er in seiner Hauptbeschäftigung Überstunden leisten würde, da die Überstunden viel stärker mit Steuern und Abgaben belastet sind. Das ist volkswirtschaftlich ineffizient und führt ebenfalls zu geringeren Steuer- und Beitragseinnahmen.
Mini-Jobs begünstigten also weniger die Beschäftigten, sondern vielmehr ihre Arbeitgeber, die die gleiche Arbeit billiger bekommen als bei einer regulären versicherungspflichtigen Beschäftigung. Zudem werden Mini-Jobbern oft nicht ihnen eigentlich zustehende Arbeitnehmerrechte gewährt. Das beginnt mit dem Recht auf Urlaub und endet mit dem Recht auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Ein Kündigungsschutz ist faktisch nicht gegeben und in Unternehmen werden die Mini-Jobber oft wie Arbeitnehmer zweiter Klasse behandelt.
Dr. Martin Gasche und Max Kaltschnee: Kurz: Indem die Junge Union die 450-Euro-Grenze verteidigt, verteidigt sie die Ausgrenzung der Frauen vom regulären Arbeitsmarkt, die zu geringe Altersvorsorge von Frauen und Müttern, die Ausbeutung der Sozialkassen, die Schuldenaufnahme der Gebietskörperschaften, die Ausbeutung und geringe soziale Absicherung von jungen Menschen, die am Arbeitsmarkt Fuß fassen wollen und schließlich die Gewinne der Unternehmer, die nicht bereit sind, gutes Geld für gute Arbeit zu zahlen.
Dass man nun unzählige Plakate aufstellt, die nur einen Inhaltspunkt von Rot-Grün kritisieren und dabei auch noch ins Leere laufen, ist nicht nur provokant, sondern auch einfach schwach. Sich nur über Dritte zu definieren und keine eigenen Inhalte aus dem CDU-Wahlprogramm zu präsentieren, zeugt nicht von guten und überzeugenden Inhalten zur Bundes- wie zur Landtagswahl , meinen die die SPD und Jusos Langenselbold abschließend einmütig.